Am 30. Juni 2020 berichtete die Verwaltung der Hansestadt Uelzen im Ausschuss für Bauen, Infrastruktur, Umwelt- und Klimaschutz über umgesetzte Maßnahmen auf städtischen Flächen, um dem Insektensterben entgegen zu wirken. Thema war auch das von der Verwaltung an alle Haushalte verteilte Faltblatt „Fühler ausstrecken“ und die vorgesehenen Informationsveranstaltungen an Grundschulen und für Erwachsene. Auf diese Weise soll die Sensibilität in der Bevölkerung für mehr Insektenschutz geweckt werden.
Auch wir als Vertreter der Christlich Demokratischen Volkpartei sehen in dem städtischen Beitrag einen sehr wichtigen gesellschaftlichen Auftrag, damit die Insektenpopulation stabilisiert wird oder gar zunimmt. Mit dem Niedersächsischen Weg – Ja zur Artenvielfalt – wurde ein gesellschaftlicher Konsens zwischen der Landwirtschaft, den Naturschutzverbänden und der Politik beschlossen. Diesen Weg wollen wir als Vertreter der bürgerlichen Mitte ebenfalls mitgehen.
Die von der Verwaltung erstmalig im Jahr 2020 umgesetzten Maßnahmen sehen wir sehr positiv. Wer also mit offenen Augen durch die Stadt geht oder mit dem Fahrrad fährt, wird sehen, dass sich unsere öffentlichen Grünflächen verändert haben. Gerade in den Ilmenauwiesen wurden sogenannte Oasen für Insekten geschaffen. Der Bewuchs auf diesen Flächen wird nicht wie in den vergangenen Jahren kurzrasig heruntergeschnitten. Damit erhalten die Insekten auf diesen Flächen einen optimierten Lebensraum. Was von vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht bedacht wird – im Winter können die Insekten zwischen oder auch in den Halmen überleben. Insektenschutz ist also mehr als nur die Herrichtung blühender Flächen.
Zugleich wollen wir bei der Umsetzung das Maßnahmenkonzept der Stadtverwaltung und die Meinungsbildung anderer politischer Gruppen kritisch begleiten. Aus unserer Sicht gehört auch dazu, dass die fachlichen und wissenschaftlichen Inhalte einer Prüfung standhalten und im weiteren Sinne dann korrekt vermittelt werden. Die Ausrichtung der Wissensvermittlung darf bei der Umsetzung nicht einseitig vom NABU oder BUND erfolgen. Es bedarf einer Kooperation zwischen den Naturschutz-verbänden, der Landwirtschaft (ob konventionell oder ökologisch), den Gartenbaubetrieben in der Stadt, den Vertretern des Landvolkes und der Fachbehörde der Landwirtschaft. Ebenso sind Vertreter aus der Politik und Bürgerschaft einzubinden.
Im Rahmen der Ausschusssitzung wollten wir wissen, ob seitens der Stadtverwaltung eine wissenschaftliche Begleitung vorgesehen ist. Dies wurde von der Stadtverwaltung verneint. Das wiederum hat uns veranlasst, fachliche Unzulänglichkeiten offen zu legen. So haben wir darauf hingewiesen, dass durch die Herrichtung von sogenannten Blüh- oder Bienenwiesen ein Eingriff in das bestehende Ökosystem erfolgt. Dabei wird der Lebensraum, der bisher auf diesen Flächen siedelnden Insekten und Kleinstlebewesen zerstört. Wir fragen uns, wie negativ sich die Zerstörung für das bestehende Ökosystem auswirkt und ob der Eingriff durch die Schaffung von Blühflächen wieder kompensiert werden kann? Um Beantwortung durch die Verwaltung wurde gebeten.
Zugleich sehen wir es sehr positiv, die Bürgerschaft über das Faltblatt „Fühler ausstrecken“ zu sensibilisieren. Das Faltblatt wurde von der Verwaltung erstellt. Aber dem fachkundigen Leser fällt sofort auf, dass die Inhalte einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten. So wird in dem Faltblatt die Frage aufgeworfen, wie viele tote Insekten man in den letzten Jahren an der Windschutzscheibe des Autos bemerkt habe? Die Antwort darauf kann nur lauten, deutlich weniger! Allerdings – kann die Windschutzscheibe ein wissenschaftlicher Maßstab sein, um die Insektenpopulation zu messen? Die Autoindustrie hat in den letzten Jahren einen sehr hohen Aufwand betrieben, um den Windwiderstand auf ein Minimum zu senken. Und dadurch wird die anströmende Luft und mit ihr die Insekten aerodynamisch am Auto vorbeigeleitet.
An einer weiteren Stelle wird gefragt, was Insekten tun? Die Antwort in dem Faltblatt lautet: Insekten fördern am und im Boden den Nährstoffkreislauf und die Bildung von fruchtbarer Erde (Humus). Soll der Leser daraus schließen, fruchtbare Erde ist gleich Humus?
Landwirte lernen in der Ausbildung: Humus ist die Gesamtheit der abgestorbenen organischen Bodensubstanz. Eine hohe Bodenfruchtbarkeit wird aber durch sehr komplexe Vorgänge im Boden erreicht. So ist ein ausgeglichenes Porenvolumen von Bedeutung, damit Luft und Wasser ausgetauscht werden können. Die Bodenorganismen, wie auch der Humus, freie Nährstoffe und physikalische, chemische sowie biologische Prozesse schaffen gemeinsam einen fruchtbaren Boden. Allein Humus ist also nicht gleich fruchtbare Erde.
An einer dritten Stelle wird in dem Faltblatt auf die Frage, was ich tun kann, die Antwort gegeben, vermeiden sie den Einsatz von künstlichen Düngern!
Aber was ist eigentlich künstlicher Dünger? Zum Thema Pflanzenernährung wird gelehrt, dass ein optimales Pflanzenwachstum nur dann möglich ist, wenn den Pflanzen ausreichend Nährsalze angeboten werden. Das kann entweder über einen mineralischen oder organische Dünger, wie etwa Gülle, Mist oder im begrenzten Umfang auch mit Kompost erfolgen. Künstlich ist dabei aber nichts.
In unserer kritischen Begleitung des Themas werden wir weiterhin eine wissenschaftlich fundierte Informationsverbreitung einfordern.
Text: Hans-Jürgen Heuer